Altern ist doof – kann keiner schönreden

Trotzdem ist die Gesellschaft extrem polarisiert.

Das stimmt. Immerhin wird mehr darüber geredet, dass wir nicht mehr miteinander reden. Ob wir dadurch wirklich mehr reden, weiß ich nicht. Aber das Bewusstsein wächst. Und das ist ein Schritt. Dennoch ist die Stimmung in Deutschland derzeit gruselig – zumindest manchmal.



Die Stimmung in Deutschland ist derzeit gruselig – zumindest manchmal.


sasha


Die Hoffnung vieler ist, dass die Weihnachtszeit etwas für Zerstreuung sorgt. Viele verbinden Ihre Lieder mit dem Jahresabschluss. Sind Sie ein großer Silvesterfan?

Silvester mag ich sehr. Dieses bewusste Abschließen eines Jahres und das Ankommen im neuen – das hat für mich etwas Wichtiges. Es braucht nicht unbedingt einen eigenen Tag. Das könnte man auch zusammen mit Weihnachten feiern. Böllern habe ich allerdings schon mit Anfang 20 aufgegeben. Zu laut, zu gefährlich, zu viel Müll. Ich verstehe, dass viele Spaß an Feuerwerk haben, gerade Kinder. Aber ich brauche das nicht. Mir geht es um den Moment, nicht um den Krach.

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Wie stehen Sie zu einem Böllerverbot?

Ein generelles Böllerverbot finde ich schwierig. Ich bin da ehrlich gesagt hin- und hergerissen. Ein Appell an die Vernunft ist mir lieber als pauschale Verbote. Wenn das nicht funktioniert, muss man neu nachdenken. Für mich persönlich gilt: keine Böller.

Sie sind seit zehn Jahren verheiratet, haben ein Haus, ein Kind. Wie spießig sind Sie?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite mag ich Rock’n’Roll immer noch als Lebensgefühl. Auf der anderen Seite werde ich definitiv spießiger. Ich werde langsam zu dem Typen, den ich früher selbst doof fand – und finde das inzwischen sogar ganz lustig.

Woran merken Sie das konkret?

Manches plane ich heute akribisch, um danach entspannter zu sein. Früher bin ich einfach in den Urlaub losgefahren und habe unterwegs entschieden. Heute will ich zumindest wissen, wo ich schlafe und wann es losgeht. Wahrscheinlich hat das viel mit dem Alter zu tun. Und man versteht plötzlich die Älteren von früher sehr viel besser.

Diese zwei Seiten – sind das Sasha und Dick Brave?

Dick Brave ist vielleicht der Teil von mir, der mehr Rock’n’Roll lebt. Aber diese zwei Herzen gibt es nicht nur da. Das ist eher ein grundsätzliches Spannungsfeld. Wir treffen ständig Entscheidungen zwischen Vernunft und Impuls, zwischen Gelassenheit und Kontrolle. Wenn ich Dick Brave sein könnte, wäre ich es manchmal gern.

Video | Sasha: „Dick Brave ist cooler“

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Quelle: t-online

Auf der Bühne leben Sie das aus.

Auf der Bühne spiele ich mit dieser Figur, aber Sasha und Dick Brave sind zwei unterschiedliche Personen.

Etwas schizo ist gut! Dick Brave ist vielleicht der Teil von mir, der Rock’n’Roll konsequenter lebt. Diese Geschichte hat irgendwann ein Eigenleben entwickelt. Ich habe Dick Brave bewusst als eigene Figur aufgebaut – mit eigener Biografie, eigener Logik. Daher bin ich etwas penibel.

Ich, Sasha, sage zum Beispiel nie etwas als Dick Brave. Dick Brave ist die andere Person. Das klingt ein bisschen schräg, aber wenn man einmal damit angefangen hat, dann kommt man da nicht mehr so richtig raus. Und es macht mir auch einfach zu viel Spaß. Irgendwann wird man dann sehr nerdig, was diese Geschichte angeht – aber genau das macht den Reiz aus.

„Auf der Bühne spiele ich mit dieser Figur, aber Sasha und Dick Brave sind zwei unterschiedliche Personen“, sagt Sasha im Gespräch mit den t-online-Reportern Ellen Ivits (M.) und Mauritius Kloft. (Quelle: Julian Alexander Fischer)

Dick Brave geht kommendes Jahr auf große Tour.

Da freue ich mich sehr für ihn. Und Dick freut sich riesig auf seine deutschen Fans. Er liebt Deutschland, es ist schließlich ein tolles Land mit vielen Vorteilen.

Und Sie – denken Sie übers Auswandern nach?

Der Gedanke begleitet mich seit meiner Kindheit. Reisen liegt mir im Blut. Es geht nicht um Politik, sondern ums Lebensgefühl. Ich mag Wärme, Licht, Sonne. Wenn es hier monatelang dunkel ist, kriegt jeder irgendwann einen Rappel. Ich könnte mir viele Orte vorstellen: Italien, Südfrankreich, Spanien, vielleicht Mallorca. Nicht weil es dort besser ist, sondern weil es für mich schöner wäre.

Dick Brave dagegen ist ja eingewandert.

Richtig. Er stammt aus Kanada und musste die USA verlassen. Wenn er zurückkommen will, wird er unter Donald Trump womöglich Probleme kriegen. Doch für Dick Brave ist Deutschland ein Ort, den er bewusst gewählt hat. Er kommt nicht, weil es woanders schlechter ist, sondern weil es ihm hier gefällt. Und vielleicht ist das am Ende auch die ehrlichste Form von Aus- oder Einwanderung: nicht aus Trotz oder Frust, sondern aus einer gewissen Zuneigung zu einem Ort.



Wenn Dick Brave zurückkommen will, wird er unter Donald Trump womöglich Probleme kriegen.


Sasha


Die letzte Tour mussten Sie aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Wie geht es Ihnen heute?

Das Schwerste daran war tatsächlich, die Tour absagen zu müssen. Gesundheitlich war es ein knappes Ding, kurz vor einer schweren Lungenentzündung. Der Arzt meinte später, eine Nacht mehr, dann wäre ich im Krankenhaus gelandet. Aber ich hatte Glück.

Was hat Sie im Nachhinein am meisten überrascht?

Der lange Weg zur Genesung. Wie lange man danach kaum belastbar ist, wie schnell man beim Treppensteigen japsen muss – obwohl medizinisch eigentlich schon wieder alles im Lot ist. Das war ehrlich gesagt beängstigend.

Haben Sie jetzt mehr Sorge um Ihre Gesundheit?

Ich bin heute aufmerksamer. Wenn ich merke, da kündigt sich etwas an, schalte ich einen Gang runter. Aber grundsätzlich habe ich das Kapitel abgehakt. Ich denke da im Alltag nicht mehr drüber nach.

Sasha, vielen Dank für das Gespräch!

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