Doch da war es schon zu spät. Die Punktrichter sahen Usyk in diesem Moment bereits weit in Führung. Daran änderte sich auch in der zwölften und letzten Runde dieses hochklassigen, aber unspektakulären Gefechts nichts mehr. Usyk hatte alles unter Kontrolle. Er gewann den engen Kampf souverän. Ein Widerspruch. Aber nicht für Usyk.

Vielleicht stimmt es, was der Mann, der sagenhafte 350 Amateurkämpfe absolviert hatte, bevor er ins Profigeschäft einstieg, über sich selbst sagt: „Ich bin als Tänzer wesentlich besser, als ich als Boxer bin.“ Was kurios klingt, ergibt durchaus Sinn. Usyk tanzt im Ring beständig auf der Rasierklinge, er nimmt es mit körperlich überlegenen Gegnern auf, legt sie sich taktisch brillant zurecht, kann viel einstecken und boxt sie am Ende klassisch aus. Wohl niemand vermag dieses Spiel mit dem Risiko so gut wie er. Ausgenommen vielleicht Muhammad Ali.

Fury verließ nach dem für ihn enttäuschenden Urteil sofort die Halle. Ausgerechnet er, sonst nie um einen steilen Satz verlegen, ergriff die Flucht. Nicht mal zum Ringinterview mochte er noch antreten. Wie es nun für ihn weitergeht, ist offen. Sein Promoter, Frank Warren, zeigte sich tief enttäuscht vom Ausgang des Kampfes. Eigentlich hatte das Fury-Lager fest mit einem dritten Kampf gerechnet. Doch der ist mehr als fraglich. Noch im Ring betrat Schwergewichtskonkurrent Daniel Dubois die Bühne und forderte Usyk mit großspuriger Geste zum Duell auf. Der antwortete trocken: „Kein Problem.“

Fury will dagegen erstmal zurück zu seiner Familie. Der ehemalige Weltmeister hatte sich so hart wie noch nie auf einen Kampf vorbereitet, wie er unter anderem dem „The Guardian“ erzählte. Sein Trainingslager auf Malta habe aus nichts anderem als Training, Boxen und Essen bestanden. Einmal in der Woche sei er mit seinem Bruder aus dem Camp verschwunden. Und zwar sonntags, um in die Kirche zu gehen.

Der 2,06 Meter große Hüne gilt als gottesfürchtig. Vor seinen Gegnern hatte er bislang jedoch nie Angst. Fury hat die Schwergewichtsszene nicht wegen seiner brillanten Technik jahrelang dominiert, sondern durch sein hemdsärmeliges Auftreten. Seine Kontrahenten zog er regelmäßig durch den Kakao, verspottete sie sogar noch im Ring, hampelte zwischen den Seilen herum, ließ die Gegner ins Leere schlagen und wenn sie sich dann müde geboxt hatten, schlug er zu. Auf die Art holte er Titel um Titel. Lange schien es, dass niemand diesem Hünen aus dem fahrenden Volk etwas anhaben konnte. Dann kam Usyk.

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