Bei der ersten Sitzung des Thüringer Landtags kommt es zu massivem Protest und Chaos. Ein AfD-Politiker leitet die Sitzung.
Heftige Differenzen im Thüringer Landtag: Die erste Sitzung des neuen Parlaments ist bereits kurz nach ihrer Eröffnung mehrfach unterbrochen worden. Die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen wurden immer wieder ans Pult gerufen und diskutierten ohne Öffentlichkeit über das Vorgehen. Das fraß zunächst mehr Zeit als die eigentliche Sitzung.
Der Alterspräsident der AfD, Jürgen Treutler, ging im Verlauf der Sitzung mehrfach nicht auf einen Geschäftsordnungsantrag der CDU ein. Die protestierte scharf gegen Treutlers Begründungen dazu. Der AfD-Politiker erteilte daraufhin einen Ordnungsruf gegen den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl. Der kritisierte Treutler dafür scharf: „Was sie hier treiben, ist Machtergreifung!“ Dafür erteilte Treutler ihm einen zweiten Ordnungsruf.
AfD-Alterspräsident Treutler drohte im Verlauf der Sitzung damit, weitere Ordnungsrufe zu verteilen und den Abgeordneten im Saal die Mikrofone abzudrehen. Wieder fiel die Kritik aus dem Plenum scharf aus: Treutler sei als Alterspräsident nicht gewählt und damit gar nicht legitimiert, Ordnungsrufe auszusprechen. Das sei dem Landtagspräsidenten vorbehalten.
Hintergrund ist ein Streit um die Wahl des Landtagspräsidenten zwischen der AfD und den anderen Parteien. Das Amt wird in der ersten Sitzung des Landtags besetzt, erst danach kann sich der Landtag konstituieren und seine Arbeit aufnehmen. Die AfD vertritt die Meinung, dass der Landtagspräsident aus ihren Reihen gekürt werden muss. Die anderen Parteien lehnen das ab – und sehen dazu auch keine rechtliche Verpflichtung.
Werden die Parteien sich nicht einig, droht ein historisch bisher einmaliger Schritt: Die Sitzung würde unterbrochen und das Landesverfassungsgericht eingeschaltet. Der Landtag wäre dann noch nicht konstituiert und damit auch nicht arbeitsfähig.
AfD-Politiker Jürgen Treutler (73) kommt die Rolle des Alterspräsidenten zu. Ihm obliegt es, die erste Sitzung zu leiten, bis ein Landtagspräsident gewählt wurde. Treutler nutzte diese Position nach der Eröffnung der Sitzung ab 12 Uhr, um ein indirektes, doch deutliches Plädoyer für die Ernennung von AfD-Politikern in Ämter im Parlament zu halten.
Der Wahlkampf sei „engagiert“ und „zugespitzt“ geführt worden, sagte Treutler. Das habe zu einer Rekord-Wahlbeteiligung geführt und sei ein gutes Zeichen für die Demokratie. „Wir sind gefragt, den Willen des Souveräns ernst zu nehmen“, so Treutler weiter. Bei der Ernennung des Landtagspräsidenten aus der stärksten Fraktion handle es sich um „Gewohnheitsrecht“.
Treutler kritisierte in seiner Rede außerdem einen Zeitungskommentar, in dem die hohe Wahlbeteiligung als Krisensymptom angesehen worden sei. Solche Einlassungen würden zeigen, dass es „in gewissen Teilen der politisch-medialen Elite eine offenkundige Verachtung des Volkes“ gebe, behauptete er.
Die CDU drang bei Treutler darauf, die Beschlussfähigkeit des Parlaments festzustellen, Schriftführer einzusetzen und über einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung abzustimmen, den sie gemeinsam mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gestellt hatte. Treutler lehnte das wiederholt ab. Die Sitzung wurde deswegen mehrfach unterbrochen.
„Sie missachten unsere Rechte, sie missachten auch die gerade getroffenen Absprachen zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern“, warfen Abgeordnete der anderen Parteien Treutler mehrfach vor. Die Mehrheit des Landtages wolle, dass über den Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung abgestimmt werde. Der AfD-Politiker habe keine Recht, diese Abstimmung zu verhindern, nur weil die AfD eine andere Meinung vertrete.