Der Hausarzt geht in Rente – und nun? Diese Frage stellen sich immer mehr Bundesbürger. Denn oft findet sich kein Nachfolger. Ein Experte erklärt die Situation.

Die Babyboomer treten ab und hinterlassen eine Lücke – auch bei den Hausärzten. Häufig finden die Praxen keinen Nachfolger. Die Folge: Gerade auf dem Land müssen viele Patienten weite Wege zurücklegen, um sich medizinisch versorgen zu lassen. Das kann gesundheitsgefährdend sein und gefährlich werden, warnt der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Markus Beier, im Gespräch mit t-online.

t-online: Herr Beier, Ärztemangel ist kein neues Thema. Doch nun scheint es akut zu werden. Auch und vor allem bei den Hausärzten.

Markus Beier: Die Beobachtung ist richtig. Ein Drittel der Hausärzte ist über 60 Jahre alt, 15 Prozent über 65 Jahre. Sie alle werden also demnächst in Rente gehen, das ist die Generation der Babyboomer. Aber de facto kommen nicht mehr so viele nach. Schon jetzt gibt es 5.000 offene Hausarztstellen.

Vor allem auf dem Land, aber auch in strukturschwachen Stadtbezirken verschärft sich damit die Situation. Dort müssen Patienten mitunter weite Wege zurücklegen, um einen Hausarzt zu erreichen. Mancherorts finden Patienten zwar im Akutfall irgendwo noch eine Praxis, die sie behandelt, aber keine Hausarztpraxis mehr, die sie fest betreuen kann. Das kann schwerwiegende Folgen für ihre Gesundheit haben.

Viele finden keinen Nachfolger für ihre Praxis?

So ist es. Das hat auch damit zu tun, dass der Hausarztberuf in großen Teilen schlechter honoriert ist als etwa eine Facharztstelle. Das Einkommen ist meist geringer, die Arbeitsbelastung jedoch sehr hoch. Hinzu kommen Hemmnisse wie die Budgetierung.

Die Kosten für die Behandlung gesetzlich Versicherter wird seit den 90er-Jahren gedeckelt. Was zur Folge haben kann, dass Ärzte für die Behandlung der Patienten am Monatsende fast kein Geld mehr bekommen, da das Budget schon ausgeschöpft ist. Sie arbeiten dann praktisch gratis.

Auch für diejenigen, die die Patienten von Praxen übernehmen, die ohne Nachfolge geschlossen wurden, ist das ein Problem, oder?

Sie stoßen dann durch den hohen Versorgungsdruck, aber auch finanziell, an ihre Grenzen, was das Problem verschärft.

Aber die Budgetierung will der Gesundheitsminister ja nun kippen?

Bislang sind das reine Ankündigungen, passiert ist noch nichts.

Für viele ist der Hausarzt auch mehr als nur ihr Ansprechpartner für medizinische Belange. Sie bauen langfristige Beziehungen zu ihm auf, ein besonderes Vertrauensverhältnis. Und wenn dann von zehn Ärzten plötzlich nur noch zwei vor Ort praktizieren, macht das natürlich Sorgen.

Das ganze Gesundheitswesen leidet unter dem Mangel. Man weiß aus Studien, dass der Wegfall des Hausarztes die Versorgung und damit die Gesundheit chronisch Kranker verschlechtert. Und die Notdienste werden häufiger in Anspruch genommen, was wiederum die Krankenhäuser belastet. Die medizinische Grundversorgung ist gefährdet.

Dr. Markus Beier (Quelle: Georg Lopata/axentis.de))

Markus Beier ist Bundesvorsitzender des Hausärzteverbandes und Allgemeinmediziner.

Welche Fehler wurden denn in der Vergangenheit gemacht, dass uns das Problem des Hausärztemangels jetzt so massiv auf die Füße fällt?

Zum einen hat das natürlich auch rein demografische Gründe. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, aber es kommen Ärzte nicht in gleicher Anzahl nach. Aber auch in anderer Hinsicht spielt die Demografie eine Rolle. Wir werden immer älter und damit steigt natürlich auch der Bedarf an medizinischer Betreuung.

Das war aber beides vorherzusehen.

Das war lange bekannt, die Politik hat nicht reagiert. Es wurde schlicht verschlafen. Und man hat sich auch zu wenig um die Ausbildung von Allgemeinmedizinern gekümmert. Die Konzepte dafür gibt es längst, sie wurden nie umgesetzt.

Einige Bundesländer haben bereits die Regelung, dass sich Medizinstudenten bei ihrer Immatrikulation verpflichten, nach dem Studium eine Landarztstelle anzunehmen. Aber das löst das Problem natürlich nicht kurzfristig. Was würde kurzfristig helfen?

Kurzfristige Wunderlösungen auf Knopfdruck wird es nicht geben. Aber es gibt Ansätze. Ich plädiere für das Konzept der Teampraxis. Damit würde eine Arbeitsentlastung geschaffen, da die Aufgaben auf verschiedene Personen verteilt werden.

Dabei übernehmen zum Beispiel speziell fortgebildete Medizinische Fachangestellte Routineaufgaben wie Voruntersuchungen, Impfungen, Wundversorgung und so weiter unter dem Dach der Hausarztpraxis. Der Arzt konzentriert sich auf den Patienten und seine Diagnose. Das verteilt die Aufgaben auf verschiedene Schultern. Aber klar ist, es muss jetzt gehandelt werden. Alles andere ist im wahrsten Sinne des Wortes gesundheitsgefährdend und wird gefährlich.

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