Am Elisenbrunnen protestieren Missbrauchsopfer und deren Unterstützer gegen den Aachener Bischof Helmut Dieser. Der ist selbst anwesend – will aber nicht vor der Menge sprechen.

Ob Bischof Dieser wirklich kommt? „Wenn er sich traut“, sagt Dieter Giesen vor dem Beginn der Demo am Elisenbrunnen. Er ist Mitglied im Betroffenenrat, der die Missbrauchsopfer katholischer Priester des Bistums Aachen vertritt. „Sollte er kommen, wird er wohl versuchen sich darzustellen, als hätte er nichts gemacht“, führt Giesen weiter aus. Die Entscheidung des Bischofs, in zwei Missbrauchsfällen vor Gericht auf Verjährung zu pochen, sei Giesen zufolge aber nicht nur „auf Diesers Mist gewachsen“. Unter einer Einrede versteht man in diesem Fall eine Erklärung, die einen Kläger daran hindert, seinen Anspruch durchzusetzen.

„Er hat ja am Anfang ganz klar geäußert, dass er auf die Einrede zur Verjährung verzichtet“, sagt Giesen. „Irgendwann ist er wohl aus irgendwelchen Gründen von irgendjemandem aus seinen Reihen dazu gezwungen worden, anders kann ich mir das nicht vorstellen.“ Dass die Bistümer in Nordrhein-Westfalen am kommenden Mittwoch, zwei Tage nach der Demo in Aachen, eine Studie über ihre Präventionsarbeit gegen sexuellen Missbrauch veröffentlichen wollen, während jemand wie Dieser auf Verjährung pocht, halte er allerdings für einen Widerspruch.

Mit Plakaten wie diesen demonstrierten am Montagabend Menschen gegen den Aachener Bischof Helmut Dieser. (Quelle: Michael Klarmann )

Im Vorfeld hatte die Polizei mit 120 Menschen gerechnet, die zur Demo kommen würden. Rund 400 sind gekommen. Unter ihnen auch das Ehepaar Schulte. Warum sie heute da sind? „Gerechtigkeit“, sagt Monika Schulte. „Und der Schutz von Kindern“, ergänzt Ehegatte Rolf. Das Schlimmste an der Sache sei ihm zufolge nicht nur, dass die Priester unbestraft blieben. Viele von ihnen seien auch weiter im Bistum beschäftigt geblieben, lediglich in andere Gemeinden seien sie versetzt worden. Die angekündigte Studie der Bistümer interessiere sie nicht. „Was helfen die ganzen Studien, wenn die einfach weitermachen?“, fragt Monika Schulte.

Die Demo beginnt. Erste Rednerin ist Marie-Theres Jung, Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland. Sie erwähnt, dass Bischof Dieser im Vorfeld angeboten wurde, ein Grußwort an die Versammelten zu richten. Ob er jedoch wirklich vor Ort ist, sei unklar. Es hagelt Pfiffe. Sie fährt fort. Jahrelang sei im Zuge der Missbrauchsfälle versucht worden, die Institution Kirche zu schützen. „Die Kirche muss sich schämen“, sagt sie. Und: „Wir müssen uns schämen, wenn wir nicht anklagen.“ Die Anwesenden stimmen mit tosendem Applaus zu.

Paul Leidner vom Betroffenenrat ergreift das Wort. Er bittet jetzt den Bischof höchstselbst für sein Grußwort nach vorn, sollte dieser tatsächlich vor Ort sein. Es herrscht kurz ungewisse Stille. Doch Helmut Dieser tritt nicht hervor. Wieder gibt es Pfiffe.

Manfred Schmitz vom Betroffenenrat tritt an das Mikrofon. Bei den Missbrauchsfällen könne man nicht von Einzeltätern sprechen. Es seien ganze Netzwerke gewesen, ein „gemeinschaftlicher Missbrauch“, so Schmitz. Jahrelang habe die Kirche von den Fällen gewusst und diese vertuscht. Die Taten der Priester seien sogar „noch schlimmer“ gewesen, als sie in den Medien geschildert worden seien.

Er habe für seine Klageschrift damals zwei Wochen gebraucht. Dass er selbst über 100.000 Euro in internen Verfahren an Schmerzensgeld erhalten habe, sei eine Ausnahme. Im Durchschnitt hätten die Betroffenen nur zwischen 10.000 und 12.000 Euro erhalten. Selbst der Richter am Aachener Landgericht habe im vergangenen Sommer gesagt, dass es ihm dabei „kalt den Rücken runter“ laufe. Die Menge applaudiert.

Dann folgt eine Rede von Thomas Gron, Soziologe an der RWTH und Vorsitzender der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Aachen. „Ihr habt es nicht verstanden“, sagt er in Richtung Bischof und seinen Gremien. Diese Worte wiederholt er im Laufe der Rede immer wieder. Er bezieht sich dabei zuerst auf eine Stellungnahme vom Rechtsanwalt des Bistums, Christof Wellens, in der steht, dass die Betroffenen der Missbrauchsfälle in einem höheren Alter seien und somit „ausreichend Zeit“ gehabt hätten, ihre Forderungen „rechtzeitig geltend zu machen“. Damit hatte der Anwalt die Einrede zur Verjährung vor Gericht begründet, die das Bistum vor „nicht mehr aufklärbaren Forderungen“ schützen würde.

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