Europa wird dementsprechend machtpolitisch von beiden Supermächten attackiert. Es darf deshalb nicht darum gehen, sich für die USA oder China als Bündnispartner zu entscheiden. Die Amerikaner bleiben der wichtigste sicherheitspolitische Partner, die Volksrepublik bleibt wirtschaftlich unverzichtbar.
Jedoch ist eine Entwicklung für die Europäer unverzichtbar – und das wurde auch bei den Gesprächen von Wadephul in Peking deutlich: Europa muss Machtpolitik lernen, denn nur so kommt der Kontinent am Ende nicht in einer neuen Weltordnung unter die Räder. Nur so können die EU-Staaten ein eigenständiger Machtpol werden, der dann auch interessengeleitete Politik machen kann.
Die Schritte, die Europa auf diesem Weg geht, sind aber noch viel zu klein. Oft fehlen Mut und Zuversicht, sich aus vertrauten Strukturen zu lösen. Das ist fatal, denn Souveränität und Unabhängigkeit sind in Zukunft für Europa nicht mehr verhandelbar. Im Gegenteil: Auch Deutschland muss Trump und Xi viel öfter ein Stoppschild zeigen. Selbstbewusstsein ist das Fundament dafür, um Einfluss wahren und seine Interessen schützen zu können.
Wadephul und die Bundesregierung setzen aktuell auf Deeskalation, Dialog – das war auch das zentrale Kennzeichen der Gespräche in der Volksrepublik. Gut so. Denn es ist wichtig, mit möglichst vielen Mächten im Gespräch zu bleiben. Doch das darf eine Sache nicht ersetzen: Auch Deutschland muss mit dem Schlimmsten planen – etwa mit einer Eskalation des Taiwan-Konfliktes oder einem Rückzug der USA aus dem westlichen Bündnis. Die globalen Brüche sind zu tiefgreifend, um auf die Beziehungen zu den Supermächten und auf einen guten Ausgang zu vertrauen. Diese Lektion hat Europa hoffentlich gelernt. Zu oft stand in den vergangenen Jahren Deutschland unvorbereitet einer Eskalation gegenüber.
Deswegen war Wadephuls Besuch in China am Ende auch eine mahnende Erinnerung: Deutschland und Europa müssen eigenständiger werden – wirtschaftlich wie militärisch. Es ist keine Zeit zu verlieren.











