Die Kanzlerpartei liegt in Umfragen weit abgeschlagen hinter der Union. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigt sich im Interview trotzdem optimistisch – und verrät, wo die Hauptkampflinie der Genossen liegt.
Die Ausgangslage war schon einmal schlecht, im Jahr 2021, als die SPD lange auf verlorenem Posten war. Erst kurz vor der Wahl drehten die Genossen die Stimmung im Land – Olaf Scholz zog ins Kanzleramt ein. Doch an eine Kopie des Siegs von damals glauben nicht einmal die SPD-Strategen. Das sozialdemokratische Schlagwort der Stunde heißt daher: kämpfen (und wird gerade republikweit auf Plakate gedruckt).
Hauptamtlich dafür zuständig ist der Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch. Bis zur Neuwahl am 23. Februar steht Miersch vor einer gewaltigen Aufgabe: Er muss neue Wähler gewinnen, ohne alte zu verschrecken, die politische Konkurrenz attackieren, ohne sie zu dämonisieren – und dabei 15 Prozent gutmachen. Schafft er das? Im Interview mit t-online gibt sich der 55-Jährige selbstbewusst. Miersch erklärt, ob sich Reiche vor den Steuerplänen der SPD fürchten müssen, warum Robert Habeck nicht die Wahrheit sagt – und warum er sich von der FDP persönlich betrogen fühlt.
t-online: Herr Miersch, die FDP hat lange bestritten, den Bruch der Ampel – intern als „D-Day“ bezeichnet – wochenlang geplant zu haben, trotz gegenteiliger Recherchen, etwa in der „Zeit“. Nun hat die FDP den Ablaufplan selbst veröffentlicht – um einer Medien-Veröffentlichung zuvorzukommen. Wie bewerten Sie das?
Matthias Miersch: Zu erfahren, dass die FDP wochenlang plante, die Regierung platzen zu lassen, hat mich geschockt. Ich habe mich auch persönlich betrogen gefühlt.
Nur ein Beispiel: Ich hatte mit dem FDP-Fraktionschef Christian Dürr, den ich menschlich sehr schätzte, 2023 nächtelang das Heizungsgesetz verhandelt. Die Zusammenarbeit war immer konstruktiv – wir haben sehr viel gemeinsam hinbekommen. Zu erfahren, dass die FDP-Spitze in den letzten Wochen insgeheim den Bruch der Regierung vorbereitete, hat mich tief getroffen.
Die FDP wirft ihrerseits der SPD vor, die FDP „zerstören“ zu wollen.
Das ist absurd, ein hilfloser Schmähversuch der FDP. Nicht wir haben die geheimen Pläne aufgedeckt, sondern Journalisten. Ich erwarte von Christian Lindner, dass er sich entschuldigt. Auch wenn ich glaube, dass er nicht die Größe dazu hat. Auch von den anderen erwarte ich eine Entschuldigung.
Könnten Sie damit leben, wenn die FDP aus dem Bundestag fliegt?
Mein Eindruck ist, dass zumindest viele Wähler damit leben könnten.
Nach einer quälenden Debatte hat die SPD Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten gekürt. Zuvor musste aber Boris Pistorius seinen Verzicht erklären. War es ein Fehler, so lange zu warten?
Natürlich müssen wir uns auch immer selbst hinterfragen. Aber wir hatten einen internen Zeitplan verabredet und den zerreißen wir nicht einfach in der Luft, weil wir mit einem Basta eine Debatte beenden wollen.
Olaf Scholz wirkt manchmal sehr kühl, aber er registriert die Dinge sehr genau.
SPD-GEneralsekretär Matthias Miersch
Befürchten Sie, dass die Rufe nach Boris Pistorius wieder lauter werden, wenn die SPD im Umfragekeller bleibt?
Nein, das glaube ich nicht. Auch die, die sich kritisch geäußert haben, stehen jetzt eindeutig hinter Olaf Scholz. Der Parteivorstand hat ihn einstimmig nominiert.
Scholz tat lange so, als hätte er die Kanzlerkandidatur sicher. Nun hat er erstmals öffentlich zugegeben, dass die K-Frage der SPD offen war. Die Partei habe kurz innegehalten, sagte er in einer Rede. War das ein Anflug von Demut?
Olaf Scholz wirkt manchmal sehr kühl, aber er registriert die Dinge sehr genau und wägt sie sorgfältig für sich ab. Das ist eine Form von Demut – vor der Partei und auch vor den Wählerinnen und Wählern.